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Begutachtung durch den medizinischen Dienst

Wenn Sie für sich selbst oder für eine angehörige Person einen Pflegegrad bei der Pflegekasse beantragt haben, beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst, (MD) mit der Begutachtung und Feststellung der Pflegebedürftigkeit. Bei privat Krankenversicherten erfolgt die Begutachtung und Feststellung der Pflegebedüftigkeit in der Regel durch den medizinischen Dienst von “MEDICPROOF“.

Den Termin für die Begutachtung kündigt der MD in der Regel schriftlich an. Sie können den genannten Termin verschieben, wenn zum Beispiel keine angehörige Person dabei sein kann. Ohne Angabe von Gründen ist eine Terminverschiebung in der Regel nicht möglich. Falls sich die pflegebedürftige Person im Krankenhaus aufhält, müssen Sie den medizinischen Dienst informieren.

Stellen Sie sicher, dass die pflegebedürftige Person und möglichst auch eine angehörige Person während der Dauer der Begutachtung anwesend sind, damit eine realistische Einschätzung der Pflegebedürftigkeit möglich ist.

Machen Sie sich im Vorfeld Notizen:

Der MD wird Ihnen im Laufe der Begutachtung viele Fragen stellen. Da nicht jeder Tag gleich verläuft, kann es hilfreich sein, Ihre Beobachtungen in Form eines Tagebuchs aufzuschreiben. Berücksichtigen Sie hierbei nicht nur die reine körperliche Pflege, sondern auch die notwendige Zeit für sonstige Hilfe und Betreuung, die die pflegebedürftige Person benötigt, zum Beispiel bei nächtlicher Unruhe. Dies gibt dem MD einen guten Eindruck, welche Hilfen tatsächlich benötigt werden.

Wichtige Unterlagen zurechtlegen:

Unterstützen Sie den MD bei der Begutachtung und dem Feststellen des Pflegegrads, indem Sie für den Termin einige Unterlagen vorbereiten:

  • Arztbriefe, Krankenhausberichte, Reha-Berichte sowie sämtliche weitere medizinische Dokumente
  • Sofern nicht alle Diagnosen in den Berichten eingetragen sind: Lassen Sie sich sämtliche Diagnosen Ihrer Ärzte nochmal schriftlich geben.
  • Übersicht der Namen Ihrer Haus- und Fachärztinnen/-ärzte
  • Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel
  • Schwerbehindertenausweis
  • Verträge mit Pflegediensten etc.
  • ggf. Röntgenbilder, MRT, Diabetikerausweis

Zu Beginn der Begutachtung nimmt der MD die allgemeinen Daten des Antragsstellers auf.

Es folgen Fragen an die pflegebedürftige und angehörige Person. Der MD orientiert sich dabei an den 6 Modulen (siehe weiter unten) zum Feststellen der Pflegebedürftigkeit.

Häufig stellt der MD der versicherten Person Fragen, um die kognitiven Fähigkeiten einschätzen zu können, zum Beispiel:

  • Welche Jahreszeit haben wir?
  • Welches Datum ist heute?
  • Wann wurden Sie geboren?
  • Wie alt sind Sie?

Fragen zur Pflege, zur Mobilität, zum sozialen Leben und darüber, wie die pflegebedürftige Person im Allgemeinen zurechtkommt, sind ebenfalls Teil der Begutachtung. Die Aussagen der pflegenden Angehörigen werden mit berücksichtigt.

Meistens wird die versicherte Person gebeten sich zu bewegen, um den Grad der körperlichen Selbstständigkeit besser nachvollziehen zu können. Zum Beispiel soll sie mit ihrem Hilfsmittel – sofern vorhanden – selbstständig vom Stuhl aufstehen, sich drehen und wieder zurücklaufen. Sie soll die Arme anheben sowie eine Faust mit beiden Händen bilden.

Eine Besichtigung des Wohnumfeldes, v.a. Schlafzimmer, Badezimmer und Küche sowie die Ein- und Ausgänge der Wohnung findet ebenfalls im Rahmen der Begutachtung statt. Im MIttelpunkt dabei steht die Barrierefreiheit und die Fragestellung, ob Anpassungen zur Verbesserung der Selbständigkeit möglich und sinnvoll sind.

Seit dem 01.01.2017 wird Pflegebedürftigkeit in 5 Pflegegrade unterteilt. Davor sprach man von 3 Pflegestufen. Dabei kommt es nun nicht mehr darauf an festzustellen, wie viel Zeit ein Mensch beim Waschen und Anziehen oder bei der Nahrungsaufnahme benötigt. Im Mittelpunkt steht jetzt die Frage, wie selbstständig der Betroffene bei der Bewältigung seines Alltags ist – was kann er und was kann er nicht mehr? Dazu werden seine Fähigkeiten umfassend in allen Lebensbereichen begutachtet.

Wie selbstständig ist die pflegebedürftige Person noch?

Eine pflegebedürftige Person wird als selbstständig bezeichnet, wenn sie in der Lage ist, eine Handlung oder Aktivität alleine, also ohne die Hilfe anderer Personen, durchzuführen. Der MD prüft, in welchen Bereichen die pflegebedürftige Person noch selbstständig handeln kann und wo sie Hilfe benötigt.

Die sogenannten „Begutachtungs-Richtlinien“ vom 01.01.2017 unterscheiden folgende Grade der Selbstständigkeit:

  • Selbstständig: Die Handlung oder Aktivität kann in der Regel ohne personelle Unterstützung durchgeführt werden. Besitzt die pflegebedürftige Person ein Hilfsmittel, kann dieses aber ohne Hilfe nutzen, gilt sie auch als selbstständig.
  • Überwiegend selbstständig: Die pflegebedürftige Person kann Handlungen oder Aktivitäten zum größten Teil selbstständig durchführen. Die pflegende Person unterstützt geringfügig.
  • Überwiegend unselbstständig: Handlungen oder Aktivitäten kann die pflegebedürftige Person zu einem geringen Teil selbstständig durchführen. Dauerhafte Anleitung/Beaufsichtigung und Motivation müssen erfolgen.
  • Unselbstständig: Handlungen oder Aktivitäten können in der Regel nicht selbstständig ausgeführt werden. Die Pflegeperson muss bei der Verrichtung/Aktivität überwiegend unterstützen   bzw. diese selbst ausführen.

Mit Hilfe fester Kriterien erfasst der MD den Grad der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person. Gleichzeitig gibt der Gutachter Hinweise, wie die Selbständigkeit erhalten und gefördert werden kann.

Je nach dem Grad der Selbstständigkeit werden Punkte vergeben. Die Gesamtzahl der Punkte ergibt den Grad der Pflegebedürftigkeit

 

PflegegradPunkteBeschreibung
Pflegegrad 112,5 bis unter 27 Punktegeringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 227 bis unter 47,5 Punkteerhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 347,5 bis unter 70 Punkteschwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
Pflegegrad 470 bis unter 90 Punkteschwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten

Pflegegrad 5

90 bis 100 Punkte

schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Anhand der Begutachtung gibt der MD eine Einschätzung über den Pflegegrad, die Notwendigkeit einer Rehabilitation oder auch über benötigte Hilfsmittel und Maßnahmen, die das Wohnumfeld verbessern an die Pflegekasse weiter. Die Benachrichtigung über die Höhe des Pflegegrades erfolgt schriftlich durch die Pflegekasse.

Gut vorbereitet helfen Sie dem MD, den Pflegegrad richtig zu ermitteln. Wie selbstständig die pflegebedürftige Person ist und welche Fähigkeiten sie noch hat, ermittelt der MD gemäß den aktuellen Begutachtungs-Richtlinien mit Hilfe von sechs Modulen. Der Grad der Selbstständigkeit wird besonders in den Modulen 1, 4 und 6 überprüft, während die Fähigkeiten in den Modulen 2, 3 und 5 beurteilt werden.

ModuleBeispiele
1. MobilitätKann die betroffene Person alleine aufstehen und vom Bett ins Badezimmer gehen? Kann sie sich selbstständig in den eigenen vier Wänden bewegen, ist Treppensteigen möglich?
2. Kognitive und kommunikative FähigkeitenDieser Bereich umfasst das Verstehen und Reden. Zum Beispiel: Kann sich die betroffene Person zeitlich und räumlich orientieren? Versteht sie Sachverhalte, erkennt sie Risiken und kann sie Gespräche mit anderen Menschen führen?
3. Verhaltensweisen und psychische ProblemlagenHierunter fallen unter anderem Unruhe in der Nacht oder Ängste und Aggressionen, die für die pflegebedürftige Person, aber auch für Ihre Angehörigen belastend sind. Auch wenn Abwehrreaktionen bei pflegerischen Maßnahmen bestehen, wird dies hier berücksichtigt.
4. SelbstversorgungWie selbstständig kann sich die versicherte Person waschen und/oder ankleiden?
5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und BelastungenDie Gutachterin oder der Gutachter schaut, ob die betroffene Person zum Beispiel Medikamente selbst einnehmen, den Blutzucker eigenständig messen, mit Hilfsmitteln wie Prothesen oder Rollator umgehen und eine Ärztin/ einen Arzt aufsuchen kann.
6. Gestaltung von Alltagsleben und sozialen KontaktenKann die betroffene Person zum Beispiel ihren Tagesablauf selbstständig gestalten? Kann sie mit anderen Menschen in direkten Kontakt treten oder die Skatrunde ohne Hilfe besuchen?

Wichtig: Nicht alle Module werden berücksichtigt. Aus den Modulen 2 und 3 fließt der höhere Punktwert in die Beurteilung mit ein. Gleichzeitig erfolgt eine unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Module. Modul 1 fließt mit 10 %, Modul 2 oder 3 mit 15 %, Modul 4 mit 40 %, Modul 5 mit 20 % und Modul 6 mit 15 % in die Gesamtbewertung ein.