Ansprüche aus Vertrag
Verfügen die Heimbewohner über vertragliche Rechte (zum Beispiel Ansprüche aus Übergabeverträgen wie Wohnrecht oder Hege und Pflege), sind diese vor einer Sozialhilfegewährung geltend zu machen.
Ein Anspruch ist das Recht, von einem anderen ein Tun oder ein Unterlassen fordern zu können. Ein Anspruch kann seine Grundlage u.a. in einem Vertrag (juristisch: ein privatrechtliches Schuldverhältnis) haben. Bei einer vertraglichen Regelung entsteht ein schuldrechtlicher Anspruch (Beispiel: jemand übergibt einem anderen eine Sache und hat Anspruch auf Bezahlung). Es gibt jedoch auch Verträge, in denen der Übergeber einer Sache als Entgelt nicht deren Bezahlung, sondern die Erbringung bestimmter Leistungen vom Übernehmer fordern kann. Der Übergeber hat als Berechtigter dann einen vertraglichen Anspruch auf Gewährung der vereinbarten Rechte.
Diese Ansprüche werden in der Regel in Verträgen vereinbart; es ist aber auch eine testamentarische Verfügung denkbar. Solche Verträge können z.B. sein:
- Übertragsverträge, mit denen Grundvermögen übertragen wurde
- Kaufverträge, mit denen Grundvermögen verkauft wurde
- Testamente Dritter, in denen Sie mit Rechten bedacht werden.
Die Rechte, die in Verträgen am häufigsten vereinbart werden, sind z.B.:
- Wohnrechte
- Pflegerechte (sog. Hege und Pflege)
- Beköstigungsrechte
- Renten- oder Taschengeldrechte
Natürlich können einzelfallbezogen darüber hinaus weitere oder andere Rechte vereinbart werden.
Die folgenden Informationen beschäftigen sich jedoch in erster Linie mit den zuvor aufgezählten Rechten, die zumeist durch einen Übergabevertrag vereinbart werden (Beispiel: Herr A. überträgt sein Zweifamilienhaus an seine Tochter B. Im Gegenzug erhält Herr A. ein lebenslanges Wohnrecht an der Erdgeschosswohnung, und B. verpflichtet sich zur Zahlung eines monatlichen Taschengeldes von 250,- € an ihren Vater).
Durch den Vertrag wird festgelegt, dass Ihnen die vereinbarten Rechte üblicherweise auf dem übertragenen Grundbesitz zu gewähren sind. Wenn Sie das Grundstück infolge einer Notlage dauerhaft verlassen müssen (z.B. weil aus gesundheitlichen Gründen der Einzug in eine Pflegeeinrichtung erforderlich wird), bestehen Ihre vertraglichen Ansprüche gegen den Verpflichteten unter Umständen weiter fort. Nur ist das nach Ihrem Auszug in der ursprünglich vereinbarten Form nicht mehr möglich. Abhängig von den konkreten Regelungen im Vertrag ist gegebenenfalls von dem Verpflichteten eine Geldrente zu fordern, da er die vertraglichen Leistungen in der bisherigen Form nicht mehr erbringen kann bzw. von der Erbringung der vertraglichen Rechte befreit ist.
Wenn absehbar ist, dass Sie in Ihre Räume nicht zurückkehren werden, darf der/die Verpflichtete die von Ihnen verlassenen Räume mit Ihrer Zustimmung für sich nutzen oder einer anderen Nutzung zuführen. Er darf die Räume mit Ihrer Zustimmung auch vermieten, sofern das möglich ist. Ihr vertraglich vereinbartes Wohnrecht wird dadurch aber nicht berührt. Sollten Sie eines Tages doch zurückkehren, so hätte der/die Verpflichtete dafür zu sorgen, dass Sie Ihre Räume wieder beziehen können. Die erzielte Miete für Ihre Räume steht Ihnen zu.
Wenn Sie Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen, sind Sie gesetzlich verpflichtet, nicht nur Ihr Einkommen und Vermögen, sondern auch sämtliche verwertbaren Rechte zur Deckung Ihres Hilfebedarfs in Anspruch zu nehmen. Zu diesen sonstigen Rechten zählen auch vertragliche Rechte. Vertragliche Rechte haben einen Wert, der in Geldeswert umgerechnet werden kann. Sie sind deshalb zur Deckung der Pflegekosten durch die Forderung einer Geldrente von dem/der Verpflichteten nutzbar zu machen. Der Anspruch auf vertragliche Leistungen geht der Sozialhilfe vor. Das Geltendmachen der Geldrente gegenüber dem/der Verpflichteten wird Ihnen das Sozialamt üblicherweise abnehmen. Das Sozialamt wird diese Rechte auf sich überleiten und damit für die Dauer Ihres Sozialhilfebezugs Inhaber dieser Rechte werden. Dadurch ist das Sozialamt rechtlich in der Lage, Forderungen gegenüber dem/der Verpflichteten direkt geltend zu machen und diese/n zur Zahlung der Geldrente aufzufordern.
Eine Bewertung der vertraglichen Rechte ist nur dann erforderlich, wenn diese Rechte nicht mehr erbracht werden und der Inhaber der Rechte Sozialhilfe benötigt. Das Sozialamt wird dann anhand der individuellen Bestimmungen des Vertrages eine Bewertung der Rechte vornehmen. Soweit es rechtlich zulässig ist, wird von dem Verpflichteten eine Geldrente zum Ersatz der Sozialhilfeaufwendungen gefordert.
- Bewertung von Wohnrechten
Eine Geldrente für ein Wohnrecht kann nur dann gefordert werden, wenn die mit dem Wohnrecht belegten Räume tatsächlich vermietet werden. In diesem Fall ist Ihnen die volle Kaltmiete als Geldrente zur Verfügung zu stellen. Sollten die mit dem Wohnrecht belegten Räume leer stehen oder von nahen Familienangehörigen genutzt werden, kann eine Geldrente nicht gefordert werden.
- Bewertung von Pflegerechten
Ein Recht auf Hege und Pflege ist unter Berücksichtigung des konkreten Vertragsinhalts im Einzelfall zu bewerten. Die Bewertung hängt z.B. davon ab, ob der Verpflichtete das Recht auf Hege und Pflege bislang persönlich erfüllt hat und aus welchen Gründen das Recht nicht mehr ausgeübt werden kann.
- Bewertung von Beköstigungsrechten
Bei der Bewertung von Beköstigungsrechten werden die entsprechenden Anteile des Sozialhilferegelsatzes (z. B. für Speisen und Getränke) zu Grunde gelegt.
- Bewertung von Renten- oder Taschengeldrechten
Renten- und Taschengeldrechte ergeben sich aus den individuellen Vorgaben des Vertrages. Hier ist meist ein konkreter Betrag genannt, der Ihnen monatlich zur Verfügung zu stellen ist. Dieser Betrag ist Grundlage bei der Bemessung der Geldrente.
Wenn Sie Ansprüche aus einem privatrechtlichen Vertrag haben, ist dieser Vertrag im Sozialhilfegrundantrag unbedingt anzugeben und den Unterlagen in Kopie beizufügen. Sofern keine Einigung darüber erzielt werden kann, ob und in welcher Höhe eine Geldrente zu fordern ist, kann beim zuständigen Amtsgericht Klage erhoben werden. Aufgrund der Komplexität dieses Themas können nur Grundzüge der Verfahrensweise beim Vorliegen von vertraglichen Rechten aufgezeigt werden. Eine weitergehende Beratung erhalten Sie beim Sozialamt des Kreises Borken.
Herr Hellwig | +49 2861 681-4797 | u.hellwig@~@kreis-borken.de |
Herr Plat | +49 2861 681-4813 | c.plat@~@kreis-borken.de |